Telechirurgie:

Anforderungen, Einsatzm�glichkeiten und mittelfristige Umsetzung

Prof. Dr. med. Peter M. Schlag
Robert-R�ssle-Klinik, Humboldt Universit�t Berlin

Telechirurgie ist eine Zusammenfassung der Anwendungskonzepte multimedialer und interaktiver Informationstechnologie in der operativen Medizin. Der Begriff Telechirurgie beinhaltet die intraoperative Telekommunikation, Telepr�senz, Telemanipulation, Telenavigation und Telerobotik. Die intraoperative Telekommunikation beinhaltet nicht nur eine audiovisuelle Kommunikation und Konsultation (second opinion), sondern auch die �bertragung 3D-rekonstuierter Datens�tze verschiedener Schnittbildverfahren sowie hochaufgel�ster stereoskopischer Video-Bewegtbilder. Ziel ist, durch die damit intraoperativ verf�gbare relevante Bildinformation und die M�glichkeit zur fach�bergreifenden konsiliarischen Beratung insgesamt eine Effizienzsteigerung chirurgischer Eingriffe zu erreichen. Gerade in der Onkologie, in der Experten aus den verschiedenen Disziplinen (Chirurgie, Radiologie, Pathologie, medizinische Onkologie) eine Therapiestrategie gemeinsam erarbeiten m�ssen, liegt in der Nutzung telemedizinischer Techniken ein gro�es Potential. Die Zusammenf�hrung aller pr�operativen Befunde zu einem intraoperativ abrufbaren morpho-funktionellen Patientenmodell ist ein weiteres wichtiges Ziel. Real time- und online-telemedizinische interaktive Anwendungen werden unter dem Begriff Telepr�senz zusammengefa�t. Voraussetzung f�r einen interaktiven bidirektionalen Datentransfer in Echtzeit mit hochaufgel�sten 3D-rekonstruierten bzw. stereoskopischen Bildsequenzen sind geeignete Komprimierungsverfahren und Datennetze mit ausreichender Bandbreite. Das von uns zusammen mit der Deutschen Telekom AG entwickelte Stereoscopic Imaging Communication Network (SICONET) wird diesen Anforderungen in hervorragendem Ma�e gerecht. Ein System, welches eine optimale Beobachtung gew�hrleistet, ist eine unabdingbare Voraussetzung f�r weitergehende telechirurgische Anwendungen, in denen ein externer Beobachter auch selbst eingreifen (Telemanipulation). Zus�tzlich sind hierf�r spezielle Instrumentenentwicklungen notwendig, um zuverl�ssig agieren zu k�nnen. Gearbeitet wird derzeit an einer Adaptation von Verfahren, wie sie in der Kern- und Weltraumtechnik zur Manipulation in gef�hrdeten oder unzug�nglichen Bereichen entwickelt wurden. Im Vergleich hierzu sind zus�tzliche Anforderungen zu erf�llen. Eine Interferenz der Systeme mit den Sterilit�tsbedingungen eines Operationssaals ist zu vermeiden. Angepa�te OP-Schnittstellen (z. B. voice control ) sowie eine dem operativen Vorgehen angemessene Datenausgabe (z.B. head mounted display) sind erforderlich. Besonders schwierig ist eine Deckungsgleichheit zwischen pr�operativen Untersuchungsergebnissen und intraoperativem Befund (OP-Situs) zu erreichen. Form- und Lagever�nderungen, die sich durch die mit der Operation verbundene K�rper�ffnung, durch Atemexkursion, aber auch durch die direkte operationsbedingte Ver�nderung der Geometrie eines Organs ergeben, machen spezielle Nachkorrekturen und Adaptationen erforderlich. An der L�sung dieser Aufgaben wird derzeit noch intensiv gearbeitet. In der Regel wird eine solche Modellanpassung nach unserem bisherigen Kenntnisstand nur unter Einbeziehung intraoperativer CT- oder MR-tomographischer (ggf. auch 3D-sonographischer) Daten m�glich. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der Einsatz gef�hrter Instrumente sinnvoll (Telenavigation). Allerdings sind hierzu auch weitere Funktionen, wie taktiles Feedback in den Ablauf ebenso zu integrieren wie z. B. die Entwicklung intelligenter Werkzeuge, mechatronischer Greifer und multisensorieller Zangen. F�r diese R�ckkopplung m�ssen taktile Instrumente auf der Patientenseite und sensitive Interfaces auf der Arztseite implementiert werden.
Klinikrelevante Entwicklungen werden zun�chst nicht autonome Systeme (Telerobotik), sondern vielmehr ein den Operateur gezielt unterst�tzendes Navigationssystem sein. Bei diesen Entwicklungen d�rfen neben den erheblichen Kosten auch deren potentielle Gefahren nicht �bersehen werden. Hierzu z�hlen die R�ckf�hrung der Krankheit auf ein Maschinenbild, der Wirklichkeitsverlust durch eine virtuelle chirurgische Benutzeroberfl�che und schlie�lich eine zunehmende Entfremdung und Entpersonifizierung des Arzt-Patienten-Verh�ltnisses. Bei allen Weiterentwicklungen mu� klar bleiben, da� Krankheit und kranke Menschen nicht beliebig technifizierbar sind, die �rztliche Kunst mehr ist als der verl�ngerte Arm der Technik und da� f�r die Heilung eines Kranken nicht nur die Beseitigung eines zug�nglichen Krankheitsherdes ausreicht. Dies sollte aber nicht zu einer prinzipiellen Ablehnung der Telechirurgie f�hren. Es kommt vielmehr darauf an, unter Kenntnis des prinzipiell M�glichen und Beachtung der hieraus resultierenden Gefahren zu versuchen, die Mensch-Maschine-Schnittstelle optimal, d.h. weitgehend patienten-orientiert zu gestalten. Durch Einsparung von Kommunikationswegen, Unterlassung redundanter Untersuchungen sowie Vereinfachung des diagnostischen und therapeutischen Ablaufs werden letztendlich nicht nur Kosten eingespart, sondern auch Zeit gewonnen, welche wieder f�r eine intensivere Arzt-Patienten-Beziehung eingesetzt werden kann.

Die verschiedenen telechirurgischen Systeme und Anwendungen er�ffnen aber auch neue M�glichkeiten einer interaktiven Aus- und Weiterbildung. �hnlich dem Training in der Luft- und Raumfahrt k�nnte dies an Operationssimulatoren durchgef�hrt werden. Jeder Operateur h�tte somit die M�glichkeit, einen Eingriff in hoher Pr�zision simuliert durchgef�hrt zu haben, bevor er der Realit�t gegen�bergestellt wird. Hierdurch k�nnte ein weiterer Beitrag zur Qualit�tskontrolle und - sicherung in der Chirurgie geleistet werden. Die Telechirurgie mit den Aspekten der intraoperativen Telekommunikation, Telepr�senz und Telemanipulation werden von uns in dem Forschungskonzept OP 2000 bearbeitet und stellen eine Antwort auf die Anforderungen der Medizin im 21. Jahrundert dar, wobei hier der Patient nicht technokratisch, sondern individueller, umfassender, schonender sowie pr�ziser und damit letztendlich erfolgreicher behandelt werden soll.