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Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften |
| AWMF-Leitlinien-Register | Nr. 032/008 | Entwicklungsstufe: | 1 + IDA |
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Zitierbare Quellen:
- Grundlagen der Chirurgie G72, Beilage zu den Mitteilungen der Dt. Ges. f. Chirurgie,
Heft 5/1996, Balingen 1996
- Forum Dt. Krebsgesellschaft (14) 2/1999, S. 114-117
- Dt. Krebsgesellschaft (Hrsg.): Qualit�tssicherung in der Onkologie - Interdisziplin�re
Leitlinien 1999: Diagnose und Therapie maligner Erkrankungen. M�nchen; Bern; Wien; New
York 1999, S. 93 ff
Notwendige Untersuchungen
Anamnese und klinische Untersuchung
Oesophagus- und Magen-Darm-Passage (bei zervikalem Karzinom mit wasserl�slichem
Kontrastmittel)
R�ntgenthorax in 2 Ebenen
Oesophago-Gastroskopie mit Biopsie des Tumors
Spiral-Computertomographie Thorax
Spiral-Computertomographie Abdomen
Im Einzelfall n�tzliche Untersuchungen
Endosonographie (wenn Unterscheidung zwischen T1, 2 und T3, 4 unklar)
HNO-�rztliche Untersuchung bei zervikalem Tumor und Verdacht auf Recurrensparese
Bronchoskopie (bei suprabifurkalem Tumor)
Laparoskopie (bei infrabifurkalem Adenokarzinom)
Sonographie/Computertomographie des Halses (bei suprabifurkalem Tumor)
Pr�operative histologische Diagnostik
Anhand von endoskopischen Zangenbiopsien sind zun�chst die Dignit�t und au�erdem
wegen der typenspezifischen Therapie (s.u.) auch der Tumortyp (Plattenepithel- oder
Adenokarzinom) und m�glichst auch der Differenzierungsgrad zu kl�ren. Sehr selten sind
dar�ber hinaus auch prim�re oder eingewachsene kleinzellige Karzinome und - mittels
Immunhistochemie - prim�re oder sekund�re Lymphome des Oesophagus abzugrenzen.
Nach multimodaler Therapie erlauben nur positive Biopsie-Befunde einen R�ckschlu� auf
den Tumorstatus, da die in tieferen Wandschichten persistierenden Tumorinseln an der
Oberfl�che von einem normalen Plattenepithel reepithelisiert werden k�nnen, wodurch dann
bioptisch ein Normalbefund vorget�uscht werden kann.
Bei den hochgradigen Dysplasien des Barrett-Epithels, bei denen die Diagnostik am Resektat
vielfach bereits invasive Adenokarzinome ergibt, sollte die Diagnose durch einen zweiten
in der Dysplasiediagnostik erfahrenen Pathologen best�tigt werden.
Da mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % eine karzinomat�se Entartung zu erwarten ist,
ist bei Patienten mit schwerer Dysplasie, abh�ngig vom Operationsrisiko, die Resektion zu
erw�gen. Bei hohem Operationsrisiko kann eine photodynamische Therapie erwogen werden.
Die neoadjuvante (pr�operative) Radiotherapie des respektablen Oesophaguskarzinoms ist nicht zu empfehlen. Die neoadjuvante (pr�operative) kombinierte Radiochemotherapie ist bei Plattenepithelkarzinom prinzipiell wirksam. Sie sollte bei resektablem Tumor derzeit nur innerhalb klinischer Studien eingesetzt werden und wird vor allem bei suprabifurkalem und zervikalem Plattenepithelkarzinom angewandt (s. Abschnitt 3).
Das Risiko der operativen Therapie bei Patienten mit Oesophaguskarzinom ist in hohem Ma�e von der Erfahrung des Operateurs und der Institution abh�ngig, wad die Behandlung dieser Patienten in Zentren mit spezieller Erfahrung nahelegt. Entscheidend f�r die Indikation zur Operation sind die Beurteilung des Risikos des geplanten Eingriffs und die Absch�tzung der Wahrscheinlichkeit einer vollst�ndigen Tumorentfernung (R0-Resektion). Nur die R0-Resektion (radikale Tumorentfernung mit regionalem Lymphabflu�gebiet) beinhaltet im Vergleich zu Palliativma�nahmen eine Prognoseverbesserung.
Suprabifurkales Oesophaguskarzinom
Bei T1/T2 Tumoren ist die subtotale Oesophagusresektion mit abdominaler und mediastinaler (vermutlich auch zervikaler) Lymphadenektomie (3 Feld Dissektion) indiziert. Fortgeschrittene Tumoren (T3/T4) sind in Anbetracht ihres Bezugs zum Tracheobronchialsystem h�ufig lokoregional inoperabel. Sie sollten unter Studienbedingungen einer neoadjuvanten Strahlen-/Chemotherapie mit dem Ziel zugef�hrt werden, ein sog. Down-Staging zu erreichen und sekund�r die operative Therapie zu erm�glichen. Bei diesem Konzept ist mit einer Erh�hung des operativen Risikos zu rechnen
Infrabifurkales Oesophaguskarzinom
Bei T1/T2 Tumoren ist die subtotale Oesophagusresektion mit abdominaler und mediastinaler Lymphadenektomie (2-Feld-Dissektion) indiziert. Auch im fortgeschrittenen Tumorstadium kann dieses Vorgehen erfolgen, allerdings ist bei T4-Tumoren mit einem erh�hten Operationsrisiko und ung�nstiger Langzeitprognose zu rechnen. Neoadjuvante Therapiemodalit�ten sind derzeit in der Erprobung.
Zervikales Oesophaguskarzinom
Bez�glich des therapeutischen Vorgehens besteht kein Konsens. Studien >sind w�nschenswert.
Operative Technik
Thorakale Plattenepithelkarziome werden durch En-bloc-Resektion des intrathorakalen Oesophagus mit dem umgebenden Fett- und Bindegewebe einschlie�lich des Ductus thoracicus, ggfs. der Vena azygos und adh�renter Strukturen entfernt, am besten nach rechtsseitiger Thorakotomie. Die Speiser�hre wird kranial situationsabh�ngig entweder in H�he der Thoraxkuppe oder nach Freilegung am Hals reseziert. Die mediastinale und abdominelle Lymphadenektomie ist ein fester Bestandteil der Operation. Die abdominelle Lymphadenektomie umfa�t die proximale Resektion der kleinen Kurvatur des Magens und die Entfernung der z�liakalen und suprapankreatischen Lymphknoten (entsprechend Kompartment 2 bei Magenkarzinom).
Die transmediastinale (stumpfe) Dissektion der Speiser�hre erf�llt nicht die Anspr�che an einen ad�quaten chirurgisch-onkologischen Eingriff, kann jedoch im Einzelfall unter besonderen Bedingungen indiziert sein (z.B. schwere Dysplasie, Verdacht auf Mukosakarzinom, hohes Risiko bei transthorakalem Vorgehen u.a.).
Distale Adenokarzinome (Barrett-Karzinom) k�nnen sowohl transthorakal als auch durch die radikale transhiatale sogenannte 2-Feld Oesophagektomie mit ausreichender Radikalit�t behandelt werden. Die Lymphadenektomie im unteren hinteren Mediastinum ist notwendig und kann transhiatal erfolgen. Die abdominelle Lymphadenektomie entspricht dem Vorgehen bei intrathorakalem Plattenepithelkarziom.
H�her gelegene Adenokarzinome werden wie Plattenepithelkarzinome operiert.
Als Oesophagusersatz dient der zu einem Schlauchmagen umgeformte Magen oder, sofern dieser nicht geeignet ist, ein Kolonabschnitt. Eine Pyloroplastik ist nicht regelhaft indiziert.
F�r minimal-invasive, thorakoskopische oder laparoskopische Operationsmethoden gibt es derzeit keinen gesicherten Platz bei der operativen Therapie mit kurativem Ziel (Internationale Konsensus Konferenz ISDE 1995). [2]
Pathohistologische Diagnostik des Resektats
Das Resektat sollte nach Abschlu� der Operation wegen der starken Schrumpfungsneigung
aufgespannt werden und ohne Verz�gerung zum Pathologen gelangen. Der endg�ltige
pathohistologische Befund sollte den Tumortyp und das Grading nach WHO, Angaben zur
R-Klassifikation und die pTNM-Klassifikation nach UICC [4] einschlie�en. Die Anzahl der
untersuchten und befallenen region�ren Lymphknoten sollte angegeben werden. Eine
verl��liche Diagnose pN0 erfordert die histologische Untersuchung von mindestens 6
region�ren Lymphknoten [4]. Bisweilen kommt es nach multimodaler Therapie (besonders von
Plattenepithelkarzinomen) zu einer weitgehenden Tumorregression. Die dann feststellbare
Tumorausbreitung ist nach der UICC als ypTNM-Stadium zu klassifizieren.
Beim Adenokarzinom des gastro�sophagealen �bergangs empfiehlt sich zur Sicherung eines
Barrett-Karzinoms die Anfertigung einer Skizze bzw. einer Fotografie des fixierten
Pr�parates und eine m�glichst genaue topografische Aufarbeitung unter Ber�cksichtigung
des tubul�ren Oesophagus bzw. des Magens; dabei ist auf stehengebliebene Inseln der
Barrett-Mukosa zu achten. Diffus-siegelringzellige Karzinome sind nach der UICC als in den
Oesophagus eingewachsene Magenkarzinome zu klassifizieren [3].
Die postoperative Strahlentherapie nach R0-Resektion von
Plattenepithelkarzinomen vermindert die lokoregion�re Rezidivrate, ohne die
�berlebensrate zu verbessern. Zur postoperativen adjuvanten Radiochemotherapie
liegen keine Daten vor, die ihren Einsatz au�erhalb von Studien rechtfertigen. Liegt
aufgrund der histologischen Beurteilung eine R0-Resektion vor, ist somit in der Regel
keine weitere onkologische Therapie indiziert.
Nach R1-Resektion suprabifurkaler Plattenepithelkarzinome kann durch Radiotherapie
versucht werden, eine lokoregion�re Tumorprogression mit Einbeziehung des
Tracheobronchialsystems zu vermeiden, allerdings besteht die Gefahr einer
oesophagotrachealen Fistel. Es ist eine Gesamtreferenzdosis im ehemaligen Tumorbereich von
54 bis maximal 60 Gy bei Einzeldosen von 1,8 Gy t�glich zu empfehlen. Ein retrosternal
hochgezogener Magen ist prim�r keine Kontraindikation f�r die postoperative
Radiotherapie
F�r die lokal fortgeschrittenen nicht R0-resektablen Karzinome des Oesophagus ist bei ausreichendem Allgemeinzustand des Patienten die kombinierte simultane Radiochemotherapie zu empfehlen. Es sollte eine Gesamtreferenzdosis von 60 - 63 Gy (1,8 Gy/fx, ICRU 50) simultan mit einer Zytostatikakombination (z.B. 5-Fluorouracil/Cisplatin) appliziert werden. Die endokavit�re Bestrahlung in Afterloadingtechnik kann als Boost eingesetzt werden. Bei guter Remission ist die M�glichkeit der operativen Therapie erneut zu �berpr�fen.
Zur Beseitigung der Schluckbeschwerden bei Patienten mit nicht resektablem Oesophaguskarzionom steht eine Reihe endoskopischer, interventioneller, chirurgischer und radiotherapeutischer Ma�nahmen zur Verf�gung, die situationsabh�ngig zur Anwendung kommen. Die intraluminale Bestrahlung in Afterloadingtechnik ist eine wenig belastende Therapie mit meist rascher Besserung bestehender Schluckbeschwerden. Bei starken thorakalen Schmerzen und/oder Kompression des Oesophaguslumens kann die kleinvolumige perkutane Radiotherapie mit 36 - 45 Gy als Palliativma�nahme eingesetzt werden. Bei Patienten mit Fernmetastasen eines Plattenepithelkarzinoms kann durch eine Cisplatin-5-Fluorouracil-Kombinationstherapie ein palliativer Effekt erzielt werden (Remissionsraten 30 bis 40 %). Bei Patienten mit Fernmetastasen eines Adenokarzinoms ist die Meinung �ber die geeignete Tumortherapie noch kontrovers.
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfr�herkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte daher symptomorientiert erfolgen und Aspekte der Lebensf�hrung einbeziehen. Ein strukturierte Tumornachsorge ist nur in Therapiestudien angezeigt.
Station�re Rehabilitationsma�nahmen sollten ausschlie�lich in besonders erfahrenen
Tumornachsorgekliniken durchgef�hrt werden, die mit der speziellen somatischen,
psychischen, sozialen oder beruflichen Rehabilitationsbed�rftigkeit von Patienten mit
Abdominaltumoren vertraut sind. F�r alkoholabh�ngige Patienten gibt es spezielle
Krebsrehablilitationskliniken.
Nicht nur bei den inoperablen, sondern auch bei potentiell kurativ behandelten Patienten
ist von einem sehr hohen Grad der Behinderung (GdB) auszugehen. Er betr�gt mindestens 80
%, in der Regel 100 %. Manuell und k�rperlich belastende T�tigkeiten sind nur noch in
Ausnahmef�llen m�glich.
Erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft:
Chirurgische Arbeitsgemeinschaft f�r Onkologie (CAO)
Arbeitsgemeinschaft f�r Internistische Onkologie (AIO)
Arbeitsgemeinschaft f�r Radiologische Onkologie (ARO)
Arbeitsgemeinschaft f�r Rehabilitation und Nachsorge (ARNS)
Mitglieder der Arbeitsgruppe waren:
Prof. Dr. med. F. Borchard, Aschaffenburg (Pathologie)
Prof. Dr. med. H. Delbr�ck, Wuppertal (ARNS)
Prof. Dr. med. F.W. Eigler, Essen (CAO)
Prof. Dr. med. D.K. Hossfeld, Hamburg (AIO)
Prof. Dr. med. Th. Junginger, Mainz (CAO)
Prof. Dr. med. H.J. Meyer, Solingen (CAO)
Prof. Dr. med. J.R. Siewert, M�nchen (CAO)
Prof. Dr. med. S. Staar, K�ln (ARO)
Prof. Dr. med. W. Stock, D�sseldorf (CAO)
Beratend haben mitgewirkt:
Prof. Dr. med. H.G. Beger, Ulm (CAO)
Prof. Dr. med. P. Hermanek, Erlangen (ISTO, Pathologie)
Prof. Dr. med. J. M�ller, Berlin (CAO)
Prof. Dr. med. R.-P. M�ller, K�ln (ARO)
Prof. Dr. med. W. Quei�er, Mannheim (AIO)
Prof. Dr. med. P.M. Schlag, Berlin (CAO)
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT)
Deutsche Gesellschaft f�r Chirurgie
Deutsche Gesellschaft f�r H�matologie und Onkologie
Deutsche Gesellschaft f�r Innere Medizin
Deutsche Gesellschaft f�r Pathologie
Deutsche Gesellschaft f�r Radioonkologie
Deutsche Gesellschaft f�r Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
Deutsche R�ntgengesellschaft
Koordinator
Prof. Dr. med. Th. Junginger, Mainz (CAO)
Korrenspondenzadresse:
Klinik und Poliklinik f�r Allgemein und Abdominalchirurgie
der Johannes-Gutenberg-Universit�t
Langenbeckstra�e 1
55101 Mainz
Erstellungsdatum: November 1998
Revision geplant: Januar 2000
Die "Leitlinien" der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind
Empfehlungen f�r �rztliches Handeln in charakteristischen Situationen. Sie schildern
ausschlie�lich �rztlich-wissenschaftliche und keine wirtschaftlichen Aspekte. Die
"Leitlinien" sind f�r �rzte unverbindlich und haben weder haftungsbegr�ndende
noch haftungsbefreiende Wirkung.
Besonders bei der kurativen Behandlung maligner Erkrankungen sollten Abweichungen von den
Leitlinien im Einzelfall begr�ndet sein.