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Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften |
| AWMF-Leitlinien-Register | Nr. 032/010 | Entwicklungsstufe: | 1 + IDA |
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Zitierbare Quellen:
- Grundlagen der Chirurgie G73, Beilage zu den Mitteilungen der Dt. Ges. f. Chirurgie,
Heft 5/1996, Balingen 1996
- Forum Dt. Krebsgesellschaft (14) 2/1999, S. 122-126
- Dt. Krebsgesellschaft (Hrsg.): Qualit�tssicherung in der Onkologie - Interdisziplin�re
Leitlinien 1999: Diagnose und Therapie maligner Erkrankungen. M�nchen; Bern; Wien; New
York 1999, S. 187 ff
Notwendige Untersuchungen
Im Einzelfall n�tzliche Untersuchungen
Pr�operative mikroskopische Diagnosesicherung
Ist eine Laparotomie zur Tumorresektion oder Palliativoperation geplant, ist die
pr�operative mikroskopische Sicherung entbehrlich und sollte intraoperativ erfolgen
(s.u.). Wird bei inkurabler Situation auf eine Laparotomie verzichtet, sollte eine
zytologische oder histologische Sicherung der Diagnose zumindest vor Beginn einer
Strahlen- oder Chemotherapie druch sonographisch oder CT-gesteuerte percutane Punktion
oder nach Laparoskopie (Biopsien aus Lebermetastasen, Peritonalabsiedlungen,
Lymphknotenmetastasen) erfolgen. Anhand der Biopsie sollte, wenn immer m�glich, zum
histologischen Tumortyp, zum Differenzierungsgrad und zur evtl. Gef��invasion des Tumors
Stellung genommen werden. F�r die histologische Einordnung des Tumortyps ist die
WHO-Klassifizierung 1996 [3] ma�geblich, wobei im wesentlichen eine Abgrenzung zwischen
dem h�ufigen duktalen Adenokarzinom sowie den seltenen Tumorformen (z. B. intraduktaler
papill�r-muzin�ser Tumor, muzin�s-zystischer Tumor, Azinuszellkarzinom, neuroendokriner
Tumor u. a.) erfolgen sollte.
Beim duktalen Pankreaskarzinom und seinen Varianten sollte f�r die Bestimmung des
histologischen Diffferenzierungsgrades ein Grading-System angewandt werden, welches
zwischen drei verschiedenen Differenzierungsstufen unterscheidet. Als "high-grade
carcinoma" werden schlecht differenzierte Adenokarzinome (G3), undifferenzierte
(gro�zellige) Karzinome sowie kleinzellige Karzinome klassifiziert.
a.) Ikterus
Bei hohen Bilirubin-Werten im Serum (> 20 mg %) kann als Vorbereitung zur Operation
eine Gallenableitung durch endoskopische Stentimplantation oder nach perkutaner
transhepatischer Drainage (PTD) erfolgen, ohne da� prospektive Studien einen Einflu� auf
Morbidit�t und Mortalit�t der nachfolgenden Operation zweifelsfrei erwiesen haben.
b.) Pr�operative (neoadjuvante) Therapie
Eine pr�operative (neoadjuvante) Chemo- und/oder Radiotherapie ist nur im Rahmen
klinischer Studien zu vertreten.
Das Risiko der operativen Therapie bei Patienten mit Pankreaskarzinom ist in hohem Ma�e von der Erfahrung des Operateurs und der Instituion abh�ngig, was die Behandlung dieser Patienten in Zentren mit spezieller Erfahrung nahelegt.
Zielsetzugn und Kontraindikation
Ziel der operativen Therapie ist die Tumorentfernung im Gesunden einschlie�lich des
regionalen Lymphabflu�gebietes (R0-Resektion).
Nachgewiesene Fernmetastasen (einschlie�lich Metastasen in nicht-region�ren
Lymphknoten), eine gro�fl�chige tiefreichende retroperitoneale Infiltration und die
ausgedehnte Infiltration der Mesenterialwurzel sind Kontraindikationen f�r eine
Tumorresektion, da im Vergleich zu nichtresezierenden Palliativma�nahmen keine
Prognosenverbesserung erzielt werden kann. Bei umschriebenem oder fraglichem Befall der V.
mesenterica superior oder der Pfortader kann abh�ngig von der Gesamtsituation eine
Gef��resektion indiziert sein, um eine R0-Resektion zu erzielen. Gleiches gilt f�r
umschriebene oder fragliche Infiltrationen von Magen, Milz oder Kolon.
Intraoperative mikroskopische Sicherung der Diagnose
Nach Laparotomie soll eine mikroskopische (zytologische oder histologische) Best�tigung
der Karzinomdiagnose angestrebt werden. In erster Linie sollen fernmetastasenverd�chtige
Strukturen (Peritoneum, Leber) sowie verd�chtige Lymphknoten exzidiert bzw. biopsiert
werden. Bei fehlenden Metastasen ist der Prim�rtumor im Pankreas zu biopsieren. Bei
oberfl�chlich gelegenen Tumoren kann eine Inzisionsbiopsie, ansonsten die Punktion mit
der Tru-Cut-Nadel, bei Tumoren im Pankreaskopf transduodenal, erfolgen (oder
Feinnadelpunktion). Bleiben die Gewebsentnahmen ergebnislos, so kann bei bestehender
klinischer Symptomatik, entsprechendem Befund der bildgebenden Verfahren und intraoperativ
nach wie vor bestehendem dringendem Verdacht auf ein Pankreaskarzinom eine Tumorresektion
auch ohne vorherige mikroskopische Sicherung der Diagnose gerechtfertigt sein.
Operationsverfahren
Das Ausma� der Operation am Pankreas richtet sich nach der Lokalisation des Tumors (Tab. 1). Bei Resektionen ist ein makroskopischer Sicherheitsabstand des Pankreasparenchyms von mindestens 2 cm anzustreben. Die Tumorfreiheit der Pankreasresektionsfl�che ist im Schnellschnitt zu �berpr�fen, bei Tumorbefall erfolgt situationsabh�ngig entweder Nachresektion oder die totale Pankreatektomie. Die Beurteilung der R0-Resektion durch den Pathologen ist besonders retroperitoneal erschwert, soda� hier eine Markierung am Operationspr�parat erfolgen sollte.
| Lokalisation (1) | Operationsverfahren (2) |
|---|---|
| Kopf | partielle Duodenopankreatektomie, sofern 2 cm Sicherheitsabstand m�glich sind und
Pankreasresektionsfl�che im Schnellschnitt tumorfrei, ansonsten subtotale oder totale Duodenopankreatektomie |
| Kopf und Corpus | subtotale Duodenopankreatektomie, sofern 2 cm Sicherheitsabstand m�glich und Pankreasresektionsfl�che im Schnellschnitt tumorfrei ansonsten (totale) Pankreatektomie |
| Schwanz | Hemipankreatektomie links |
| Schwanz und Corpus | Subtotale Pankreaslinksresektion |
| Gesamtes Pankreas | (Totale) Duodenopankreatektomie |
| (1) | Kopf | Tumor rechts vom linken Rand der V.mesenterica superior (einschl. Proc. uncinatus) |
| Corpus | Tumor zwischen linkem Rand der V.mesenterica superior und linkem Rand der Aorta | |
| Schwanz | Tumor links des linken Randes der Aorta |
| (2) | Partielle Duodenopankreatektomie (Kausch-Whipple-Operation): Durchtrennung des Pankreas �ber der V. mesenterica superior |
| Subtotale Duodenopankreatektomie (modifizierte oder erweiterte
Kausch-Whipple-Operation): Entfernung von Kopf und gesamten Corpus mit Durchtrennung des Pankreas am linken Rand der Aorta |
|
| Hemipankreatektomie links: Entfernung des Schwanzes und eines Teiles des Corpus mit Durchtrennung des Pankreas am rechten Rand der Aorta |
|
| Subtotale Pankreaslinksresektion (4/5-Linksresektion): Entfernung des Schwanzes und des gesamten Corpus, ggf. auch von Teilen des Kopfes |
Die Lymphadenektomie umfa�t die Lymphknoten der 1. Station (Tab. 2), bei den Linksresektionen und bei der totalen Pankreatektomie auch die Splenektomie, um die Lymphknoten um die Milzgef��e und am Milzhilus mit zu entfernen. Der Wert der Dissektion auch der 2. Station oder einer Erweiterung auf die paraaortalen und andere Lymphknotenbereiche ist (noch) kontrovers zu beurteilen.
Nach onkologischen Kriterien sind die konventionelle partielle Duodenopankreatektomie sowie die pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatomie als gleichwertig anzusehen. Die geringeren funktionellen Beschwerden sprechen f�r das magenerhaltende Vorgehen bei nicht organ�berschreitenden exokrinen Pankreaskarzinomen.
| Pankreaskopf | Pankreask�rper und -schwanz | |
| 1. Station | Suprapankreatische Lymphknoten im Bereich von Kopf (1) und K�rper (2) |
|
Infrapankreatische Lymphknoten im Bereich von Kopf (3) und K�rper (4) |
||
Pankreatikoduodenale Lymphknoten (vordere [5] und hintere [8]) |
||
| Pylorische Lymphknoten (6) | Lymphknoten an Milzhilus (10) Lymphknoten an Pankreasschwanz (11) |
|
| 2. Station | Proximale mesenteriale Lymphknoten (7) |
|
Lymphknoten am Ductus choledochus (9) |
||
| Lymphknoten am Tripus coeliacus (12) | ----------------------------- | |
Intraoperative Radiotherapie
Der Wert der intraoperativen Strahlentherapie ist bislang nicht abschlie�end beurteilbar, so da� diese nur im Rahmen von Studien erfolgen soll.
Postoperative patho-histologische Diagnostik
a) Tumorresektate
Nach radikaler Tumorresektion durch eine partielle Duodenopankreatektomie oder
Pankreaslinksresektion sind f�r die Prognose und evtl. weitere Therapieplanung Aussagen
�ber die lokale Ausdehnung des Tumors (insbesondere Einwachsen in das peripankreatische
Fettgewebe), Invasivit�t (lymphatisch-perineural), den Lymphknotenstatus und die
lokoregion�re Vollst�ndigkeit der Tumorentfernung notwendig. Diese Parameter werden in
der pTNM-Klassifikation [4] mit zus�tzlicher R-Klassifikation festgehalten. Zur Erfassung
des Lymphknotenstatus sind alle am Tumorresektat befindlichen Lymphknoten sorgf�ltig zu
pr�parieren und histologisch zu untersuchen. Eine verl��liche pN0-Diagnose erfordert
die histologische Untersuchung von mindestens 10 region�ren Lymphknoten.
b) Nachbarorgane
Eine tumor�se Infiltration des Duodenums sollte erw�hnt werden, scheint aber
prognostisch keine Bedeutung zu besitzen. Wichtig ist dagegen, eine mesenteriale
Gef��invasion und Peritonealkarzinose festzuhalten.
c) Histopathologische Untersuchungsmethodik: siehe [1]
Nach potentiell kurativer Resektion fortgeschrittener Tumoren (pT4 oder N1, R0) kann die kombinierte simultane Radiochemotherapie empfohlen werden, bestehend aus externer Bestrahlung kombiniert mit 5-Fluorouracil. Die Effektivit�t einer adjuvanten Chemotherapie ist bisher nicht gesichert.
Beim lokal fortgeschrittenen, inoperablen Pankreaskarzinom gilt die kombinierte simultane Radiochemotherapie (Gesamtreferenzdosis 54 - 59 Gy/1,8 Gy ED; 5-FU Woche 1 + 5 (650 - 1.000 mg/m�/24 h an Tag 1 - 5 und 29 - 33) derzeit als wirksamste Therapiema�nahme. Rechnerplanung und "shrinking field"-Technik sind obligat. Diese Therapie sollte nur Patienten mit gutem Allgemeinzustand angeboten werden. Auch nach R1/R2-Resektion sollte eine Radiochemotherapie bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand zu erw�gen.
Zur Palliativbehandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Pankreaskarzinoms stehen medikament�se, endoskopische, interventionell radiologische, strahlentherapeutische und operative Ma�nahmen zur Verf�gung, die individuell abh�ngig von den im Vordergrund stehenden Beschwerden und dem Allgemeinzustand des Patienten zur Anwendung kommen. Die ad�quate Schmerztherapie hat dabei Priorit�t. Hierzu stehen lokale Ma�nahmen (Blockade des Ganglion coeliacum intraoperativ oder perkutan) oder systemische Ma�nahmen (WHO-Schema) [6] zur Verf�gung. Bei einem Ikterus ist eine biliodigestive Anastomose indiziert, wenn sich anl��lich einer Probelaparotomie die Inoperabilit�t des Tumors ergibt. Ist aufgrund der pr�operativen Diagnostik die Inoperabilit�t des Tumors unzweifelhaft, sind endoskopische oder interventionell radiologische Verfahren angezeigt. Bei einer Magenausgangsstenose ist eine Gastroenterostomie angezeigt, die konventionell oder laparoskopisch erfolgen kann.
Bei einem lokal fortgeschrittenen, nicht resktablen Pankreaskarzinom stellt die Radiochemotherapie, bei metastasiertem Pankreaskarzinom die Chemotherapie eine therapeutische Option dar. In Anbetracht der bisher ung�nstigen Ergebnisse sollten m�glichst viele Patienten in Studien eingebracht werden, um neue therapeutische Ans�tze auf die klinische Relevanz zu �berpr�fen.
Der Wert einer strukturierten Tumornachsorge zur Rezidivfr�herkennung und Prognoseverbesserung ist bisher nicht belegt. Die Nachsorge sollte symptomorientiert erfolgen. Eine strukturierte Nachsorge ist nur in Therapiestudien angezeigt.
Station�re Rehabilitationsma�nahmen sollten soweit notwendig ausschlie�lich in besonders erfahrenen Tumornachsorgekliniken durchgef�hrt werden, die mit der speziellen somatischen, psychischen, sozialen oder beruflichen Rehabilitationsbed�rftigkeit von Patienten mit Abdominaltumoren vertraut sind. Auf die Selbsthilfegruppenorganisation f�r Pankreatektomierte sollte hingewiesen werden (Arbeitskreis der Pankreatektomierten e. V., Krefelder Str. 52, 41539 Dormagen).
Nach totaler Pankreatektomie, unvollst�ndiger Tumorresektion sowie bei Inoperabilit�t
ist grunds�tzlich von einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 % auszugehen. Bei den
anderen Patienten ist der GdB in Abh�ngigkeit von den operationsbedingten
Funktionsst�rungen anzusetzen. Er betr�gt mindestens 60 %.
Im Vordergrund der beruflichen Rehabilitation stehen arbeitsplatzerhaltende Hilfen.
Aufwendigere berufliche Rehabilitationsma�nahmen kommen nicht mehr in Betracht.
Erarbeitet von den Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft:
Chirurgische Arbeitsgemeinschaft f�r Onkologie (CAO)
Arbeitsgemeinschaft f�r Internistische Onkologie (AIO)
Arbeitsgemeinschaft f�r Radiologische Onkologie (ARO)
Arbeitsgemeinschaft f�r Rehabilitation und Nachsorge (ARNS)
Mitglieder der Arbeitsgruppe waren:
Prof. Dr. med. F.W. Eigler, Essen (CAO)
Prof. Dr. med. D.K. Hossfeld, Hamburg (AIO)
Prof. Dr. med. Th. Junginger, Mainz (CAO)
Prof. Dr. med. G. Kl�ppel, Kiel (Pathologie)
Dr. med. P. Kruck, Bad Kreuznach (ARNS)
Prof. Dr. med. H.-J. Meyer, Solingen (CAO)
Prof. Dr. med. R.-P. M�ller, K�ln (ARO)
Prof. Dr. med. H. Pichlmaier, K�ln (CAO)
Prof. Dr. med. W. Stock, D�sseldorf (CAO)
Prof. Dr. med. M. Trede, Mannheim (CAO)
Beratend haben mitgewirkt:
Prof. Dr. med. H.G. Beger, Ulm
Prof. Dr. med. H. Delbr�ck, Wuppertal
Prof. Dr. med. H. Gabbert, D�sseldorf
Prof. Dr. med. J. Hauss, Leipzig
Prof. Dr. med. P. Hermanek, Erlangen
Prof. Dr. med. W. Quei�er, Mannheim
Prof. Dr. med. P.M. Schlag, Berlin
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT)
Deutsche Gesellschaft f�r Chirurgie
Deutsche Gesellschaft f�r H�matologie und Onkologie
Deutsche Gesellschaft f�r Innere Medizin
Deutsche Gesellschaft f�r Pathologie
Deutsche Gesellschaft f�r Radioonkologie
Deutsche Gesellschaft f�r Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
Deutsche R�ntgengesellschaft
Koordinator
Prof. Dr. med. Th. Junginger, Mainz (CAO)
Korrenspondenzadresse:
Klinik und Poliklinik f�r Allgemein und Abdominalchirurgie
der Johannes-Gutenberg-Universit�t
Langenbeckstra�e 1
55101 Mainz
Erstellungsdatum: November 1998
Revision geplant: Januar 2000
Die "Leitlinien" der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind
Empfehlungen f�r �rztliches Handeln in charakteristischen Situationen. Sie schildern
ausschlie�lich �rztlich-wissenschaftliche und keine wirtschaftlichen Aspekte. Die
"Leitlinien" sind f�r �rzte unverbindlich und haben weder haftungsbegr�ndende
noch haftungsbefreiende Wirkung.
Besonders bei der kurativen Behandlung maligner Erkrankungen sollten Abweichungen von den
Leitlinien im Einzelfall begr�ndet sein.