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Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften |
| AWMF-Leitlinien-Register | Nr. 032/013 | Entwicklungsstufe: | 1 |
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Zitierbare Quellen:
- Dt. Krebsges.: FORUM 5/1998, S. 395-397
- Dt. Krebsgesellschaft (Hrsg.): Qualit�tssicherung in der Onkologie - Interdisziplin�re
Leitlinien 1999: Diagnose und Therapie maligner Erkrankungen. M�nchen; Bern; Wien; New
York 1999, S. 139 ff
Die Gruppe der rehabilitationsbed�rftigen Patienten nach Therapie eines kolorektalen Karzinoms umfa�t ein h�chst inhomogenes Kollektiv mit sehr unterschiedlichen tumor- und therapiebedingten Funktionseinschr�nkungen bzw. Behinderungen.
Da f�r die Therapie des kolorektalen Karzinoms �berwiegend ein operatives Vorgehen charakteristisch ist, sind die therapiebedingten Beeintr�chtigungen �berwiegend abh�ngig von dem Verlust des betreffenden Kolon- bzw. Rektumanteiles. Hierin sind auch die deutlichen Unterschiede in den Funktionsst�rungen begr�ndet. Die Folgen einer zytostatischen oder Bestrahlungstherapie treten zwar in den Hintergrund, m�ssen jedoch Ber�cksichtigung finden.
Patienten mit kolorektalen Karzinomen unterscheiden sich ferner von Patientengruppen anderer Tumorentit�ten durch ihr h�heres Lebensalter: Letzteres kann den Rehabilitationsproze� entscheidend beeinflussen, wenn zus�tzliche altersabh�ngige Funktionsst�rungen bzw. Behinderungen bestehen.
Direkte Operationsfolgen: Wundheilungsst�rung, Sp�tabsze�, persistierende Sakralfistel
Hernien: perineal, parastomal, Bauchwand
Verdauungsst�rungen: nach umfangreichem Organverlust, Verlust des terminellen Ileum, Verlust der Rektumampulle (imperativer Stuhldrang), Bestrahlunsfolgen
Passagebehinderungen: Stenosen
Stuhlinkontinenz: tiefe anteriore Rektumresektion
Harninkontinenz bei Postproktektomie-Syndrom
Komplikationen im Bereich des Urogenitalsystems: Harnblasendeviation, sekund�re retroperitoneale Fibrose, Vaginaldeviation bzw. -stenose, Vaginalfisteln
Sexuelle Funktionsst�rungen: neurogener Potenzverlust, psychogener Potenz- und Libidoverlust
Stomaanlagen
Stomakomplikationen: Dermatitiden, Hernie, Bauchwandrelaxation, Prolaps, Stenoseretraktion, Blutungen, Anlagefehler
Schmerzen: perineale Narbe, Verwachsungen, lokale Rezidive
Bestrahlungsfolgen: Adh�sionen, Proktitis, Durchf�lle
Folgen der zytostatischen Therapie (meist passager)
Psychische Probleme der Krankheitsverarbeitung
Soziale Anpassungsst�rungen, soziale Absicherung
Probleme der beruflichen Wiedereingliederung
Neben der Rehabilitation im engeren Sinne, n�mlich der Behandlung tumor- oder therapiebedingter Funktionsst�rungen bzw. Behinderungen hat bei der Betreuung von Patienten mit kolorektalen Karzinomen nach abgeschlossener Prim�rbehandlung die rezidivbezogene Nachsorgediagnostik einen hohen Stellenwert. Letztere sollte jedoch trotz ihrer gro�en psychologischen Wertsch�tzung seitens der betroffenen Patienten angesichts eines verh�ltnism��ig begrenzten Nutzens einer fr�her einsetzenden Rezidivtherapie nachdr�cklich relativiert werden zugunsten eines individuellen problemorientierten Vorgehens. Unerl��lich bei der Planung einer Nachsorgediagnostik ist das Einbeziehen unterschiedlicher prognostischer Kriterien einer eventuell nachfolgenden Rezidivtherapie in Abh�ngigkeit von der Lokalisation des Tumorrezidivs (Anastomose, kleines Becken, Fernmetastasen). Eine Nachsorgediagnostik sollte auch das Ziel einer Optimierung m�glicher palliativer Ma�nahmen besitzen.
Vor jeder rehabilitativen Therapie steht die funktionsbezogene Diagnostik, um den Rehabilitationsbedarf zu ermitteln:
Vor jeder Diagnostik sollte beachtet werden, da� mehr als 50 % aller Rezidive nach kolorektalem Karzinom durch eine sorgf�ltige Anamnese und klinische Untersuchungen zu diagnostizieren sind! Zus�tzliche Untersuchungen:
Verschiedene sogenannte standardisierte Nachsorgeprogramme sind vielfach publiziert. Anzustreben ist eine an das Rezidivrisiko adaptierte Nachsorgediagnostik, um unn�tige Kosten und vor allem aber auch eine evtl. hierbei auftretende psychische Verunsicherung der betroffenen Patienten zu vermeiden.
Das therapeutische Vorgehen in der Rehabilitation ist abh�ngig von den diagnostizierten Funktionseinschr�nkungen und Behinderungen:
Das individuelle Erleben des Krankheitsverlaufes und die stark variierenden Funktionsst�rungen bei Patienten nach kolorektalen Karzinomen verursachen sehr unterschiedliche Einschr�nkungen in der subjektiven und objektiven Lebensqualit�t und der Krankheitsverarbeitung der Betroffenen. Neben den Problemen, unter denen potentiell jeder Tumorpatient leidet, gibt es spezielle psychische Belastungen bei Betroffenen mit kolorektalen Tumoren:
Interventionsformen:
Die soziale Isolation durch R�ckzug, Partnerprobleme, St�rungen im Sexualbereich und zum Teil massive Einschr�nkung in der Mobilit�t durch Inkontinenz- und Stomaprobleme erfordern zus�tzliche soziale Hilfestellung bei Patienten mit kolorektalen Tumoren �ber den �blichen Standard hinaus.
25 - 30 % der Betroffenen mit kolorektalem Karzinom stehen im erwerbsf�higen Alter. W�hrend Patienten nach einer kontinenzerhaltenden Operation an Kolon und Sigma nicht selten schon bald wieder uneingeschr�nkt arbeitsf�hig sind, kann bei Betroffenen nach tiefen Rektumresektionen und Inkontinenzproblemen oder bei Stomatr�gern mit l�ngeren Arbeitsunf�higkeitszeiten und einem h�heren Risiko einer Berufs- und Erwerbsunf�higkeit gerechnet werden. Eine Verbesserung und Intensivierung berufsf�rdernder Ma�nahmen und Beratungen ist notwendig, weil ein nicht zu �bersehender Teil dieser Betroffenen die Arbeit nicht wieder aufnimmt, wobei wiederum erhebliche Unterschiede bei der Tumorlokalisation und dem Operationsmodus festzustellen sind (z.B. 60 % nach Rektumamputation, 17 % nach Rektumresektion).
Die Leistungseinbu�e betrifft h�ufig Berufe, die einen vermehrten k�rperlichen Einsatz erfordern, insbesondere durch Heben und Tragen schwerer Lasten, ferner bei Arbeiten, die mit verst�rkter Hitzeeinwirkung verbunden sind (Komplikationen mit der Stomaversorgung) bzw. die l�ngere sitzende T�tigkeiten verlangen (Beschwerden von seiten der perinealen Narbe). Auch sind Beeintr�chtigungen bei der Abwicklung von Publikumsverkehr infolge Komplikationen im Stomabereich zu erwarten. Ferner sind Kenntnisse der Arbeitsplatzbedingungen notwendig, um Funktionsst�rungen des Stomas soweit wie m�glich zu adaptieren (Weg zu Toiletten, Raumtemperatur usw.).
Die Kontrolle jeder Ma�nahme und deren Nutzen oder Schaden abzusch�tzen ist auch in der Rehabilitation Teil �rztlichen Handelns und mit diesem untrennbar verbunden. Sie unterliegt Standards, die im Rahmen der Qualit�tssicherungsma�nahmen in der Rehabilitation aufgestellt worden sind.
Bei der Rehabilitation von Patienten mit kolorektalen Tumoren wird das Ziel verfolgt, den gesamten Rehabilitationsproze� - selbstverst�ndlich unter Einschlu� pflegerischer Ma�nahmen - zu standardisieren, mit dem Ziel einer effektiven Evaluationsm�glichkeit, welche allein die Grundlage einer Sicherung - und wenn notwendig - auch Verbesserung der Versorgung von Betroffenen erm�glicht.
Die Gliederung qualit�tssichernder Ma�nahmen in Strukturqualit�t, Proze�qualit�t und Ergebnisqualit�t erm�glicht eine Evaluationsvereinfachung der rehabilitativen T�tigkeit. Es kann davon ausgegangen werden, da� jede Verbesserung eines dieser Glieder auch zu einer Verbesserung der anderen Anteile des Qualit�tsmanagement f�hrt. Da bei einer Evaluation ein Ist-Zustand ermittelt und dieser mit dem Standard verglichen wird, ist die Formulierung entsprechender Standards unerl�sslich.
F�r die Rehabilitation und Nachsorge kolorektaler Tumoren sind deshalb zus�tzliche strukturelle Voraussetzungen zu fordern:
Verfasser:
Im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebshilfe
P. Kruck, Bad Kreuznach
Verfahren zur Konsensusbildung:
Expertengruppe der Arbeitsgemeinschaft f�r Rehabilitation und Sozialmedizin
unter Beratung durch
Deutsche Gesellschaft f�r Chirurgie
Deutsche Gesellschaft f�r Gyn�kologie und Geburtshilfe
Deutsche Gesellschaft f�r H�matologie und Onkologie
Deutsche Gesellschaft f�r Innere Medizin
Deutsche Gesellschaft f�r Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie
Deutsche Gesellschaft f�r Physikalische Medizin und Rehabilitation
Deutsche Gesellschaft f�r Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
Deutsche Gesellschaft f�r Psychotherapeutische Medizin
Deutsche Gesellschaft f�r Sozialmedizin und Pr�vention
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes
Deutsche Gesellschaft f�r Thoraxchirurgie
Deutsche Gesellschaft f�r Urologie
Deutsche Gesellschaft f�r Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
Deutsches Kollegium f�r Psychosomatische Medizin
Dezember 1997
�berpr�fung geplant: 30. 04. 1999
Die "Leitlinien" der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind
Empfehlungen f�r �rztliches Handeln in charakteristischen Situationen. Sie schildern
ausschlie�lich �rztlich-wissenschaftliche und keine wirtschaftlichen Aspekte. Die
"Leitlinien" sind f�r �rzte unverbindlich und haben weder haftungsbegr�ndende
noch haftungsbefreiende Wirkung.
Besonders bei der kurativen Behandlung maligner Erkrankungen sollten Abweichungen von den
Leitlinien im Einzelfall begr�ndet sein.