© Springer-Verlag 2004
P. Schlag
Klinik für Chirurgie und chirurgische Onkologie,
Robert-Rössle-Klinik, Berlin
Hans Gummel anlässlich
seines 30.Todesjahres
Der 1908 in Berlin geborene Hans Gum-
mel studierte von 1928-1933 Medizin in
Rostock, Innsbruck und Berlin. Von
1934-1937 war er Assistenzarzt an der Cha-
rite bei Prof. Dr. Robert Rössle, Direktor
des Instituts für Pathologie, und bei Prof.
Dr. Wolfgang Heubner, Direktor des In-
stituts für Pharmakologie. In diesen Jah-
ren erwarb sich Hans Gummel die Grund-
lagen naturwissenschaftlich begründeter
Denk- und Arbeitsmethoden, die, wie er
selbst immer wieder bekundete, in seiner
späteren klinischen Tätigkeit und insbe-
sondere auf dem Gebiet der Onkologie
sehr wichtig waren. Entscheidend für
Hans Gummels Hinwendung zur Onko-
logie war seine Tätigkeit an der Chirurgi-
schen Klinik der Universität zu Breslau
(1937-1945), die bis 1943 unter Leitung des
namhaften Krebsforschers und Chirur-
gen K.H. Bauer stand, dem späteren Grün-
der des Deutschen Krebsforschungszen-
trums in Heidelberg.
Als Schüler Bauers war Hans Gummel
neben seiner klinischen Arbeit - ab 1939
als Oberarzt - auch Leiter der Abteilung
für experimentelle Geschwulstforschung.
Er befasste sich insbesondere mit der Kan-
zerogenese durch Benzpyren, mit Fragen
der endogenen Kanzerogenese durch
mögliche Entgleisungen im Steroidstoff-
wechsel sowie mit Beziehungen zwischen
Mastopathia cystica und Mammakarzi-
nomen. Im Frühjahr 1945 wurde Gummels
Tätigkeit in Breslau durch die Ereignisse
des 2. Weltkriegs beendet.
1946 gründete Hans Gummel in Dres-
den ein Labor für Geschwulstforschung
mit dem Ziel „des Nachweises und der
Identifizierung körpereigener kanzeroge-
ner Stoffe zwecks Aufzeigung einer Stoff-
wechselentgleisung bei der Entstehung bös-
artiger Geschwülste. "Zeitgleich war er als
wissenschaftlicher Leiter eines Betriebs
in Dresden am Aufbau der Penizillinpro-
duktion in der damaligen sowjetischen
Besatzungszone tätig.
1949 bewarb sich Gummel als Chirurg
an der neu zu eröffnenden Geschwulst-
klinik in Berlin-Buch, einer Einrichtung
des Instituts für Medizin und Biologie der
Deutschen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin. Nach seiner Ernennung zum
Professor 1953 wurde er 1954 als Nachfol-
ger von Prof. Dr. Heinrich Cramer zum
Leiter und Ärztlichen Direktor der Klinik
ernannt, die er bis zu seinem Tod, kurz
vor seinem 65. Geburtstag, leitete.
Generalist der Onkologie
Gummels besonderes Interesse galt von
nun an dem Aufbau der Geschwulstkli-
nik, der Entwicklung der klinischen On-
kologie sowie der Krebsforschung. Hier-
bei zeichnete er sich neben seiner wissen-
schaftlichen und ärztlichen Arbeit auch
durch besondere organisatorische Leis-
tungen aus. Unter seiner Leitung entwi-
ckelte sich die Klinik zu einer über die
Grenzen der DDR hinaus führenden on-
kologischen Einrichtung. Als Chefchirurg
baute er zusammen mit anderen Mitar-
beitern die Abteilungen Chirurgie ein-
schließlich Gynäkologie, Anästhesie, Ra-
diologie einschließlich Nuklearmedizin,
Patientennachsorge und Krebsstatistik
auf. Entgegen dem damaligen Trend schuf
Gummel an seiner Klinik die erste fachli-
che und organisatorisch selbstständige
Anästhesie-Abteilung in Gesamtdeutsch-
land. Aus der kleinen 55-Betten-Klinik im
Jahr 1949 war eine moderne Klinik mit
220 Betten geworden.
Das persönliche und wissenschaftliche
Interesse von Hans Gummel war insbe-
sondere der Ätiologie und Genese des
Mammakarzinoms gewidmet. Weitere Ar-
beitsgebiete waren die Erarbeitung von
Richtlinien zur Früherkennung und Be-
handlung des Bronchial- und des Ma-
genkarzinoms sowie Fragen der biologi-
schen Wertigkeit maligner Geschwülste
und Malignitätsstadien der Tumorpro-
gression. So wurde eine Risikogruppen-
einteilung der Ösophagus- und Magenkar-
zinome nach Gummel benannt. Weiter-
hin widmete er sich der Förderung kom-
binierter Behandlungsmethoden fortge-
schrittener Tumoren. Als Chirurg befass-
te er sich schon sehr früh mit der großen
Bauchchirurgie und mit operativen Be-
handlungsverfahren von Bronchialkarzi-
nomen.
Zusätzlich übernahm Hans Gummel
auch vielfältige wissenschaftsorganisato-
rische Aufgaben in zahlreichen Gremien,
ab 1959 v a. in der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin, in die er
1961 als ordentliches Mitglied gewählt
wurde.
1963 gelang Gummel die Vereinigung
der Geschwulstklinik und des Instituts für
experimentelle Krebsforschung zum In-
stitut für Krebsforschung, um „dem kom-
plexen Charakter der Krebsforschung als
einer Hauptrichtung des Forschungszen-
trums Buch wirkungsvoll gerecht zu wer-
den.
In einer Festschrift zur Einweihung des
Deutschen Krebsforschungszentrums in
Heidelberg am 25. Oktober 1972 führte K.H.
Bauer aus:„... dass die DDR unter Leitung
des Krebsklinikers Gummel schon längst ein
Krebsforschungszentrum und eine Ge-
schwulstklinik Mit 2oo Betten in Betrieb ge-
nommen hatte. "Als vorbildlich nannte er
auch die in der DDR seit 1952 bestehende
gesetzliche Meldepflicht von Geschwulst-
krankheiten, deren Überwachung in 165
Betreuungsstellen sowie das im Ministeri-
um für Gesundheitswesen bestehende be-
sondere Referat „Krebsbekämpfung".
1969 entstand die „Gesellschaft für Ge-
schwulstbekämpfung der DDR`; und 1971
wurde Hans Gummel in Würdigung seiner
Verdienste um die Onkologie zum Vorsit-
zenden und Ehrenmitglied dieser Gesell-
schaft gewählt. Als Auszeichnung für be-
sondere Leistungen auf dem Gebiet der
Krebsbekämpfung wurde die Hans-Gum-
mel-Medaille von der Gesellschaft ge-
schaffen. 1959 erhielt er den Nationalpreis
für Wissenschaft und Technik der DDR.
|